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Aktuelle Rechtsprechnung aus dem Familienrecht:

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Freiburg vom 29.05.2020 in Ziffern 3 und 4 des Tenors wie folgt abgeändert:

Der Antragsteller wird verpflichtet, der Antragsgegnerin Auskunft zu erteilen

a) über den Bestand des Anfangsvermögens zum 19.12.2003 und

b) über den Bestand des Endvermögens zum 27.12.2019

Im Übrigen werden die Anträge der Antragsgegnerin zu I 2 und I 3 zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Hinsichtlich Ziffer 2 und soweit in Ziffer 3 des Tenors der angefochtenen Entscheidung die weitergehenden angekündigten Stufenanträge der Antragsgegnerin zu II und III abgewiesen worden sind, wird die Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren - an das Familiengericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 267.090 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die beteiligten, zwischenzeitlich rechtskräftig geschiedenen, Ehegatten streiten um die Folgesachen Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt.

Der Antragsteller ist Deutscher, die Antragsgegnerin, die (nur) die weißrussische Staatsangehörigkeit hat, lebte in Weißrussland, sie ist studierte Physikerin. Die Beteiligten fanden über eine Kontaktanzeige zueinander. Im Sommer 2002 hielt sich die Antragsgegnerin mit ihrem 1998 geborenen Sohn aus einer anderen Beziehung erstmals beim Antragsteller mehrere Monate in Deutschland auf. Im Januar 2003 zogen sie und ihr Sohn endgültig zum Antragsteller nach Deutschland um.

Die Beteiligten heirateten am 19.12.2003. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller 50 Jahre alt, die Antragsgegnerin fast 39 Jahre. Der Antragsteller hat aus erster, kurz vor der Heirat mit der Antragsgegnerin geschiedener Ehe zwei schon damals erwachsene Kinder.

Am 17.03.2004 schlossen die Ehegatten einen ersten notariellen Ehe- und Erbvertrag. Im eherechtlichen Teil finden sich folgende Regelungen:

"Für unsere Ehe schließen wir den gesetzlichen Güterstand aus und vereinbaren den Güterstand der Gütertrennung gem. § 1414 BGB.

1.

Im Fall einer Ehescheidung soll jedoch derjenige Ehegatte, der im letzten Jahr vor der Scheidung ein geringeres Jahreseinkommen hatte als der andere von dem mehrverdienenden einen Betrag von 2.000,00 EUR erhalten, der bei Rechtskraft der Scheidung zu zahlen ist.

2.

Wir schließen den Versorgungsausgleich teilweise dahingehend aus, dass die in der Ehezeit bis zur Einbürgerung der Ehefrau erworbenen Versorgungsanwartschaften nicht auszugleichen sind.

Auf die Vorschrift des § 1408 Abs. 2 wurde hingewiesen.

3.

Sollte unsere Ehe binnen einer Frist, von drei Jahren an, vom heutigen Tag an gerechnet, geschieden werden, verzichten wir auf nachehelichen Unterhalt und nehmen den Verzicht jeweils an."

Der Antragsteller setzte außerdem die Antragsgegnerin erbvertraglich zu einem Drittel als seine Erbin ein.

Die im Vertrag angesprochene Einbürgerung der Antragsgegnerin erfolgte bislang nicht. Die Antragsgegnerin war damals ohne eigenes Erwerbseinkommen, besuchte einen Sprachkurs und war arbeitssuchend gemeldet. Nach einem in 2009 aufgenommenen sechsmonatigen Praktikum fand die Antragsgegnerin ab Mai 2010 Arbeit als Physikerin mit einem nach Klasse V besteuerten Nettoeinkommen in Höhe von monatlich EUR 1.400 EUR, seit 2011 ist sie stellvertretende Laborleiterin in einem Unternehmen und verdient nach eigenen Angaben netto knapp über 2.000 EUR.12

Am 15.03.2013 schlossen die Ehegatten wiederum notariell unter Bezugnahme auf den früheren Ehe- und Erbvertrag einen Änderungsvertrag, in dem jeweils für den Fall der Scheidung nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG der Versorgungsausgleich für die gesamte Ehezeit völlig ausgeschlossen und auf nachehelichen Unterhalt vollständig verzichtet wurde. Außerdem wurden die erbvertragliche Erbeinsetzung der Antragsgegnerin aufgehoben und ihr statt dessen ein Betrag von 5.000 EUR sowie ein Wohnrecht für die Dauer von 6 Monaten im Hause des Antragstellers jeweils vermächtnisweise zugewandt. Die Ehegatten trennten sich 2018.

Mit Schriftsatz vom 18.12.2019 beantragte der Antragsteller die Scheidung der Ehe, die Zustellung erfolgte am 27.12.2019. Die Antragsgegnerin machte zunächst geltend, der Scheidungsantrag sei verfrüht, beantragte dann mit Datum vom 17.02.2020 ebenfalls die Scheidung.15

Mit Schriftsatz vom 13.02.2020 stellte die Antragsgegnerin einen Stufenantrag zum Zugewinn.

Mit dem hinsichtlich des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich und zum Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns teilweise angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht die Ehe geschieden sowie ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, der Antrag der Antragsgegnerin in der Folgesache Güterrecht werde zurückgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass beide Eheverträge wirksam seien.

Die Antragsgegnerin macht mit ihrer Beschwerde geltend, dass wegen ungleicher Verhandlungspositionen die Notarverträge unwirksam seien.

Die Antragsgegnerin beantragt, in Abänderung des Beschlusses vom 29.05.2020 wie folgt zu erkennen:

I.

  1. Ein Versorgungsausgleich findet von Gesetzes wegen statt.
  2. Der Antragsteller wird verpflichtet, der Antragsgegnerin Auskunft zu erteilen
  3. a) über den Bestand des Endvermögens zum 27.12.2019,
  1. b) über den Bestand des Anfangsvermögens zum 19.12.2013,
  1. c) über unentgeltliche Zuwendungen, welche er nach Eintritt des Güterstandes gemacht hat.
  1. Den Wert aller unter vorstehender Ziffer I. bezeichneten Vermögensgegenstände mitzuteilen.

Die unter Ziffern II. und III. gestellten weiteren Stufen (Eidesstattliche Versicherung und Zahlungsantrag) sollen an die erste Instanz zurückverwiesen werden.

Der Antragsteller beantragt:

Zurückweisung der Beschwerde.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Im Beschwerdeverfahren wurden Antragsteller und Antragsgegnerin persönlich angehört.

Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist neben dem Versorgungsausgleich auch der gesamte Anspruch auf Zugewinnausgleich, nicht nur der Auskunftsantrag. Im Tenor des angefochtenen Beschlusses ist „der Antrag der Antragsgegnerin in der Folgesache Güterrecht“ zurückgewiesen worden, zugleich wurde die Scheidung ausgesprochen und eine Kostenentscheidung getroffen. Auch wenn in der Begründung des angefochtenen Beschlusses nur auf den Auskunftsantrag Bezug genommen wird, ist damit der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns insgesamt - einschließlich der noch nicht bezifferten Zahlungsstufe - abgewiesen worden.

Die Beschwerde ist in der Sache, soweit es um den Auskunftsanspruch über den Bestand des Anfangs- und Endvermögens und um den nicht durchgeführten Versorgungsausgleich geht, begründet.

  1. Der Antragsgegnerin stehen die geltend gemachten Auskunftsansprüche über den Bestand des Anfangs- und Endvermögens nach § 1379 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB zu, wobei es sich bei dem im Antrag genannten Stichtag des 19.12.2013 zum Anfangsvermögen um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt, gemeint ist der 19.12.2003, der Zeitpunkt der Heirat der Beteiligten. Bereits der erste Ehe- und Erbvertrag aus dem Jahre 2004, in dem der gesetzliche Güterstand ausgeschlossen worden ist, ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Dessen Nichtigkeit ergreift nach § 139 BGB auch den 2013 geschlossenen zweiten Ehe- und Erbvertrag.
  1. Die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich unterliegen grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Disponibilität der Scheidungsfolgen darf allerdings nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann (BGH vom 17.01.2018 – XII ZB 20/17, juris Rn. 12 f.).

Im Privatrechtsverkehr haben die Gerichte nämlich die Wirkkraft der Grundrechte als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen durch die Konkretisierung der zivilrechtlichen Generalklauseln zu schützen. Die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie setzt voraus, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben sind. Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen ist der Vertrag, mit dem die Vertragspartner selbst bestimmen, wie ihre individuellen Interessen zueinander in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Der zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt deshalb in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat. Ist jedoch auf Grund einer besonders einseitigen Aufbürdung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition der Vertragspartner ersichtlich, dass in einem Vertragsverhältnis ein Partner ein solches Gewicht hat, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der Grundrechtspositionen beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt. Dies gilt auch für Eheverträge, mit denen Eheleute ihre höchstpersönlichen Beziehungen für die Zeit ihrer Ehe oder danach regeln. Art. 6 Abs. 1 GG gibt ihnen hierbei das Recht, ihre jeweilige Gemeinschaft nach innen in ehelicher und familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten. Allerdings setzt der Schutz der staatlichen Ordnung, der für Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG ausdrücklich verbürgt ist, eine gesetzliche Ausgestaltung der Ehe voraus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die eheliche und familiäre Freiheitssphäre ihre verfassungsrechtliche Prägung auch durch Art. 3 Abs. 2 GG erfährt. Verfassungsrechtlich geschützt ist deshalb eine Ehe, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen. Der Staat hat infolgedessen der Freiheit der Ehegatten, mit Hilfe von Verträgen die ehelichen Beziehungen und wechselseitigen Rechte und Pflichten zu gestalten, dort Grenzen zu setzen, wo der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt. Es ist Aufgabe der Gerichte, in solchen Fällen gestörter Vertragsparität über die zivilrechtlichen Generalklauseln zur Wahrung beeinträchtigter Grundrechtspositionen eines Ehevertragspartners den Inhalt des Vertrages einer Kontrolle zu unterziehen und gegebenenfalls zu korrigieren. Auch die Eheschließungsfreiheit steht einer solchen Inhaltskontrolle nicht entgegen (BVerfG vom 06.02.2001 – 1 BvR 12/92, juris Rn. 32 ff.).

Ein Ehegatte muss deshalb nicht eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung hinnehmen, soweit dies für ihn unter angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe - unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten werden dabei umso schwerer wiegen und die Belange des anderen Ehegatten umso genauerer Prüfung bedürfen, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge einer Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelungen zu versagen ist. Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss abstellt, insbesondere auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (BGH vom 17.01.2018 – XII ZB 20/17, juris Rn. 12 f.).

  1. Der erste Ehe- und Erbvertrag vom 17.03.2004 hält einer Wirksamkeitskontrolle am dargelegten Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB nicht stand.

Dabei kann vorliegend dahin stehen, ob nicht bereits die hier zu beurteilenden Einzelregelungen des Ehevertrags bei isolierter Betrachtung nach § 138 Abs. 1 BGB als nichtig zu erachten sind, da jedenfalls der Ehevertrag vom 17.03.2004 bei einer Gesamtbetrachtung als nichtig anzusehen ist.

(1) Zunächst bestehen auch hinsichtlich einzelner Regelungen Anzeichen für eine objektiv einseitige Lastenverteilung für den Scheidungsfall, die durch den geplanten Zuschnitt der Ehe nicht gerechtfertigt und durch keinerlei Vorteile für die Antragsgegnerin ausgeglichen sind.

(a) Die Vereinbarung der Gütertrennung und damit der Ausschluss des Zugewinnausgleichs ist bei isolierter Betrachtung allerdings nicht zu beanstanden. Der Zugewinnausgleich wird vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts nicht umfasst; er erweist sich ehevertraglicher Gestaltung am weitesten zugänglich. Schon im Hinblick auf diese nachrangige Bedeutung des Zugewinnausgleichs im System des Scheidungsfolgenrechts wird ein Ausschluss dieses Güterstandes für sich genommen regelmäßig nicht sittenwidrig sein (BGH vom 09.07.2008 – XII ZR 6/07, juris Rn. 19).

(b) Fraglich erscheint aber eine objektive Benachteiligung der Antragsgegnerin hinsichtlich der zum nachehelichen Unterhalt getroffenen Abrede der Beteiligten.

Einerseits wird mit dem grundsätzlichen Ausschluss nachehelichen Unterhalts für den Fall, dass die Ehe vor Ablauf von drei Jahren geschieden wird, ein Rechtsgedanken aufgenommen, der sich auch in § 1579 Abs. 1 Nr. 1 BGB findet. Andererseits fehlt die Wahrung der in dieser Vorschrift besonders geschützten Kindesbelange (vgl. BGH vom 09.07.2008 – XII ZR 6/07, juris Rn. 14; vgl. insgesamt BGH vom 31.10.2012 – XII ZR 129/10, juris Rn. 19). Vielmehr wird in der Vereinbarung auch der Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB für diesen Fall vollständig ausgeschlossen, obwohl die Antragsgegnerin bei Vertragsschluss durch die Erziehung eines Kindes gebunden war, gemeinsamer Nachwuchs, wie der Antragsteller bei der Anhörung durch den Senat eingeräumt hat, durchaus zur Diskussion stand und bei der damals 39-jährigen Ehefrau, soweit vorgetragen, auch nicht auszuschließen war und diese überdies als Ausländerin, die zunächst in einem Sprachkurs ihre Deutschkenntnisse vertiefte, zunächst kein eigenes Erwerbseinkommen erwarten konnte.

(c) Dasselbe gilt auch hinsichtlich des zumindest potentiell zeitlich bis zu einer Einbürgerung der Antragsgegnerin befristeten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs.

Der Versorgungsausgleich entspricht der grundgesetzlichen Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 GG, nach der zum Wesen der Ehe die grundsätzlich gleiche Berechtigung beider Partner gehört, die sich auch auf die vermögensrechtlichen Beziehungen der Eheleute nach Auflösung der Ehe auswirkt. Da die Leistungen der Ehegatten, die sie im Rahmen der von ihnen in gemeinsamer Entscheidung getroffenen Arbeits- und Aufgabenzuweisung erbringen, als gleichwertig anzusehen sind, haben beide Ehegatten grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten, das ihnen zu gleichen Teilen zuzuordnen ist. Dies entfaltet seine Wirkung auch nach Trennung und Scheidung (BVerfG vom 02.05.2006 - 1 BvR 1275/97, juris Rn. 9; BVerfG vom 26.05.2020 - 1 BvL 5/18, juris Rn. 92). Deshalb ist der Versorgungsausgleich dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zuzuordnen, so dass der Versorgungsausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt einer vertraglichen Gestaltung nur begrenzt offen steht (§ 6 VersAusglG). Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann daher nach § 138 Abs. 1 BGB schon für sich genommen unwirksam sein, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte kompensationslos aufgrund des bereits beim Vertragsschluss geplanten (oder zu diesem Zeitpunkt schon verwirklichten) Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint (vgl. BGH vom 29.01.2014 – XII ZB 303/13, juris Rn. 19 f.).

Ob damit die erforderliche einseitige Benachteiligung der Antragsgegnerin vorliegt und außerdem bezüglich dieser Einzelregelungen auch die subjektiven Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB gegeben sind, kann hier dahin stehen.

2) Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen bei isolierter Betrachtungsweise den Vorwurf der Sittenwidrigkeit jeweils für sich genommen nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag im Rahmen einer gebotenen Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (vgl. BGH vom 20.03.2019 - XII ZB 310/18, juris Rn. 35).

(a) Hier zielte der objektive Gehalt der Gesamtregelung erkennbar auf eine solche einseitige Benachteiligung der Antragsgegnerin und ausschließliche Begünstigung des Antragstellers als dem wirtschaftlich Stärkeren mit dem alleinigen Einkommen und der damit nur ihm möglichen Vermögensbildung, zumindest in den Anfangsjahren der gemeinsam verbrachten Ehezeit.

Nur der Antragsteller hatte zum damaligen Zeitpunkt ein zudem erhebliches und gesichertes Einkommen. Letzteres ergibt sich schon daraus, dass er zu Beginn der Ehe, insoweit seinen Angaben folgend, über Geldvermögen in Höhe von etwa 25.000 EUR sowie verschiedene Autos und eine Werkstattausrüstung verfügte, während er nunmehr ausweislich seiner hier vorgelegten Auskunft aus dem Trennungsunterhaltsverfahren über 2 Häuser mit insgesamt 7 Mietvertragsparteien verfügt. Er war und ist, wie er seiner künftigen Ehefrau im Jahre 2002 mitteilte, Kraftfahrzeugmechanikermeister und übte diese Tätigkeit selbständig im Handel und Reparaturen aus und war außerdem tätig als in einem Industriebetrieb angestellter Controller im Qualitätswesen.

Die Antragsgegnerin war damals ohne Einkommen. Erst im Jahre 2010 änderte sich ihre berufliche Situation.

Damit diente die güterrechtliche Regelung ganz einseitig den Interessen des Antragstellers.

Nicht einmal gemeinsamer Nachwuchs sollte bei Scheidung innerhalb von 3 Jahren zugunsten der Ehefrau, die nicht nur kein eigenes Einkommen hatte, sondern zudem alleine einen 5-jährigen Sohn zu unterhalten hatte, unterhaltsrechtlich bedeutsam sein.

Nur der Ehemann konnte in den Anfangsjahren der Ehe mit dem Erwerb von Versorgungsanrechten rechnen, weil nur er (abhängig) erwerbstätig war. Der Versorgungsausgleich war bis zur Einbürgerung der Ehefrau, die von den Eheleuten diskutiert, aber wegen des, wie die Antragsgegnerin erläutert hat, damit verbundenen Verlustes der weißrussischen Staatsangehörigkeit und damit einer visumsfreien Einreise nach Weißrussland nicht verwirklicht worden ist, auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen. Die vertragliche Erbeinsetzung stellte in Anbetracht der nicht ausdrücklichen anderweitigen Bestimmung im Sinne von §§ 2279, 2077 BGB für den gerade problematischen Fall der Scheidung keine ausreichend sichere Kompensation dar, erst recht nicht die im Vertrag für den Fall der Scheidung vorgesehene einzige Einmalzahlung in Höhe von 2.000 EUR.

Allerdings kennt das Gesetz keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz dieses Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn sonst außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (BGH vom 27. Mai 2020 – XII ZB 447/19, juris Rn. 29). Solche Umstände sind dann zu bejahen, wenn sich die Ehegatten beim Vertragsschluss nicht als "gleich starke Verhandlungspartner" gegenüberstanden, der Ehevertrag vielmehr erkennbar auf einer gravierenden wirtschaftlichen wie sozialen Imparität der Ehegatten beruht (BGH vom 09.07.2008 – XII ZR 6/07, juris Rn. 22).

Im vorliegenden Fall war die Antragsgegnerin, auch wenn sie aus der Position einer verheirateten Ehefrau agieren konnte, als neu zugereiste Ausländerin, die in ihrer Heimat eine lukrative Arbeitsstelle mit schon erreichter Zusage einer guten Altersversorgung aufgegeben hatte, dem Antragsteller deutlich unterlegen. Auch wenn sie über ein gutes deutsches Sprachverständnis verfügte, wie der Antragsteller vorträgt, war sie von ihrem Ehemann wirtschaftlich und in persönlicher Hinsicht vollkommen abhängig. Als einkommenslose und gegenüber ihrem 5-jährigen Sohn allein unterhaltspflichtige Mutter war sie auch wegen des Kindes, dem gegenüber der Antragsteller in keiner Weise verpflichtet war, auf den guten Willen ihres Mannes angewiesen. Sie musste sich auf möglichen gemeinsamen Nachwuchs einstellen und in einem fremden Land zurechtfinden, zunächst ohne Anerkennung ihrer erworbenen beruflichen Qualifikation. Damit hat sich der Antragsteller der prekären Situation seiner Ehefrau vollkommen verschlossen und einseitig und nicht schutzwürdig alleine seine vermögensrechtlichen Interessen für den Fall der Scheidung zu wahren gesucht.

Infolge der Gesamtnichtigkeit des ersten Ehe- und Erbvertrages vom 17.03.2004 ist nach § 139 BGB auch der zweite Ehe- und Erbvertrag vom 15.03.2013 unwirksam. Die beiden Verträge bilden schon inhaltlich ein einheitliches Rechtsgeschäft. Dass der 2. Ehe- und Erbvertrag auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre, macht keine Seite, insbesondere nicht der hiervon begünstigte Antragsteller geltend.

  1. Der Anspruch auf Auskunft über unentgeltliche Zuwendungen, welche der Antragsteller nach Eintritt des Güterstandes gemacht hat, ist nicht begründet. Nach § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB kann der Ehegatte Auskunft über das Vermögen verlangen, soweit es für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens maßgeblich ist. Damit umfasst der Tatbestand auch Auskünfte zu vermögensbezogenen Vorgängen, wie sie von § 1375 Abs. 2 Satz 1 BGB umfasst werden. Allerdings besteht dieser Anspruch grundsätzlich nur dann, wenn der Auskunftsberechtigte konkrete Tatsachen vorträgt, die ein unter § 1375 Abs. 2 Satz 1 BGB fallendes Handeln nahelegen, zumindest dann, wenn nicht nur Auskunft für die Zeit nach der Trennung begehrt wird (vgl. BGH vom 15.08.2012 - XII ZR 80/11, juris Rn. 35 ff). Dazu fehlt jeglicher Vortrag der auskunftsberechtigten Antragsgegnerin.
  1. Desgleichen ist der Antrag, den Wert "aller unter vorstehender Ziffer I." - gemeint Nr. 1 - bezeichneten Vermögensgegenstände mitzuteilen, zurückzuweisen, und zwar bereits als unzulässig, weil völlig unklar ist, um welche Vermögensgegenstände es gehen soll. Der Antrag ist unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig formuliert.
  1. Der Ausschluss des Versorgungsausgleich ist aus den dargelegten Gründen nicht wirksam erfolgt, weshalb der Versorgungsausgleich durchzuführen ist.
  1. Das Verfahren ist deshalb, soweit es die weiteren Anträge des per Stufenantrag geltend gemachten Anspruchs auf Zugewinnausgleich anbelangt, auf Antrag der Antragsgegnerin in entsprechender Anwendung der §§ 117 Abs. 2 FamFG, 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO (vgl. BGH vom 22.05.1981 - I ZR 34/79, Rn. 50, juris) an das Familiengericht zurückzuverweisen, dasselbe gilt zur Wahrung des Verbundes nach §§ 142, 137 FamFG hinsichtlich des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich.

III.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes richtet sich nach §§ 40, 42, 50 FamGKG.

Hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich haben die Ehegatten das gemeinsame monatliche Einkommen mit 5.100 EUR angegeben. Bei drei Anrechten (gesetzliche Rente auf beiden Seiten, Betriebsrente beim Antragsteller) errechnet sich ein Verfahrenswert von 4.590 EUR.

Für den Zugewinnausgleich richtet sich der Verfahrenswert nach dem noch unbezifferten Zahlungsantrag und den Vorstellungen der Antragsgegnerin. Daraus errechnet sich ein Wert von 262.500 EUR.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 150, 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Göppingen vom 18.03.2015 (10 F 71/15) aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Scheidung der Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben die Ehe am ... geschlossen. Aus der Ehe ist der volljährige Sohn ..., geboren ..., hervorgegangen. Der Ehescheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 29.01.2015 zugestellt. Die Antragstellerin ist erwerbsunfähig und bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente, der Antragsgegner ist selbständig als Geschäftsführer einer GmbH tätig. Im Jahr ... ist die Antragstellerin an einem bösartigen ... erkrankt. Seitdem ist sie regelmäßig in ärztlicher Behandlung. Mittlerweile erfolgt nur noch eine palliative Behandlung. Es werden ihr keine Heilungschancen prognostiziert. Ihre Lebenserwartung ist unsicher. Spätestens im September 2014 hat der Antragsgegner eine andere Frau kennengelernt, mit welcher er mittlerweile eine Beziehung führt. Im September 2014 hat er mit dieser Frau ein Wochenende in einem Hotel in ... verbracht und im Oktober 2014 gemeinsam ein Spiel von ... besucht.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Familiengericht auf Antrag der Antragstellerin den Versorgungsausgleich abgetrennt und die Ehe der Beteiligten geschieden. Es hat dieses damit begründet, dass der Ehebruch und das Nachaußentragen der Beziehung aufgrund der gesundheitlichen Situation der Antragstellerin und der Belastung mit wiederholten Chemotherapien und Operationen eine unerträgliche Situation darstellten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 20.03.2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 17.04.2015 Beschwerde eingelegt und beantragt die Zurückweisung des Scheidungsantrags. Er begründet seine Beschwerde damit, dass der Antragstellerin das Zuwarten bis zum Ablauf des Trennungsjahres zugemutet werden könne. Die gesundheitliche Situation der Antragstellerin habe das gesamte Familienleben belastet. Er sei seit der Erkrankung ebenfalls psychisch stark belastet und habe in seiner jetzigen Freundin eine Ansprechpartnerin gefunden, die ihm in dieser schwierigen Situation Gehör schenkte. Seit Jahren habe er die Antragstellerin begleitet. Seit Januar 2015 habe er sich nicht mehr in der Lage gesehen, diese schwierige Situation zu meistern. Daher sei es zur endgültigen Trennung gekommen. Das Familiengericht hätte auch seine psychische Situation berücksichtigen müssen. Neue Erkenntnisse der Palliativmedizin bestätigten, dass Angehörige aufgrund dieser Situation erheblich belastet würden.

Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie bestreitet die psychische Belastung des Antragsgegners. Der Treuebruch des Antragsgegners sei besonders erniedrigend, da er während ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit mit seiner Freundin nicht nur in der Ehewohnung verweilt, sondern sogar im Ehebett mit ihr geschlechtlich verkehrt habe. Ferner unternehme er alles, um ihre ohnehin schwierige gesundheitliche Situation weiter zu destabilisieren.

II.

Die nach gewährter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist insoweit begründet, als dass der Versorgungsausgleich nicht hätte abgetrennt werden dürfen. Der Beschluss des Familiengerichtes ist daher aufzuheben und zur weiteren Verhandlung zurückzuverweisen.

1.

Entgegen dem Einwand des Antragsgegners ist ein Härtegrund im Sinne von § 1565 Abs. 2 BGB gegeben, der eine Ehescheidung schon vor Ablauf des Trennungsjahres ermöglicht.

Nach § 1565 Abs. 1 S. 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Sie ist als gescheitert anzusehen, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner lehnen eine Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft ab, der Antragsgegner hält an seiner neuen Partnerschaft fest. Von einem Scheitern der Ehe ist also auszugehen. Grundsätzlich ist für die Ehescheidung weiter vorausgesetzt, dass die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben. Gemäß § 1565 Abs. 2 BGB kann die Ehe, sofern die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt leben, nur dann geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Unstreitig ist das Trennungsjahr vorliegend noch nicht abgelaufen. Die Antragstellerin ist am zweiten Weihnachtsfeiertag 2014 aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen, hat aber weiterhin für den Antragsgegner die Wäsche gemacht und auch das Essen zubereitet. Am 02.01.2015 ist der Antragsgegner in das Büro im Keller ausgezogen und die Antragstellerin hat keine weiteren Versorgungsleistungen für ihn erbracht. Mittlerweile ist die Antragstellerin aus dem vormals als Ehewohnung genutzten Haus ausgezogen.

Vorliegend ist von einem Härtefall im Sinne von § 1565 Abs. 2 BGB auszugehen. Eine derartige Härte ist anzunehmen, wenn sich bei der Prognose, dass die Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr erwartet werden kann - über den Tatbestand des Scheiterns der Ehe hinaus - in der Person des Antragsgegners liegende Gründe ergeben, die so schwer wiegen, dass der Antragstellerin bei objektiver Beurteilung nicht angesonnen werden kann, an den Antragsgegner als Ehepartner weiterhin gebunden zu sein (BGH FamRZ 1981, 127 Rz. 16). Die Ehescheidung vor Ablauf des Trennungsjahres ist nur dann möglich, wenn die Fortsetzung der Ehe auch nur dem Bande nach für die Antragstellerin unzumutbar wäre. An das Vorliegen eines Härtefalles sind strenge Anforderungen zu stellen. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, voreiligen Scheidungsentschlüssen entgegenzuwirken, die aus bloß vorübergehenden Stimmungslagen und Krisensituationen resultieren (Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 7. Aufl., Kap. II Rn. 51). Dabei geht es nicht um ein moralisches Unwerturteil, sondern nur um die Prüfung, ob angesichts der konkreten in der Sphäre des Antragsgegners liegenden Umstände einem objektiven Betrachter begreiflich ist, dass sich die Antragstellerin endgültig von der Ehe abgewandt und damit das Zuwarten bis zum Ablaufen des Getrenntlebensjahres ein sinnloser Formalismus wäre (Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, Kap. II Rn. 63). Es ist nicht auf das subjektive Unzumutbarkeitsempfinden des verletzten Ehegatten abzustellen, sondern darauf, ob ein besonnener Dritter bei ruhiger Abwägung aller Umstände auf das Verhalten des anderen Ehegatten mit einem Scheidungsantrag reagieren würde (OLG Brandenburg, FamRZ 1995, 807; Heintschel-Heinegg in: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 2. Kap. Rn. 76). Ein Treuebruch allein und das Auftreten mit dem neuen Partner in der Öffentlichkeit begründen keinen Härtegrund i.S.v. § 1565 Abs. 2 BGB. Erst wenn besondere Begleitumstände hinzutreten, die Art und Weise des Ehebruches besonders verletzend und erniedrigend ist, kann ein Härtefallgrund vorliegen (Münchener Kommentar/Ey, § 1365 BGB Rn. 110; BGH FamRZ 1981, 127; OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 286; OLG Stuttgart FamRZ 2002, 1342; OLG München FamRZ 2011, 218; OLG Rostock NJW 2006, 3648; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, Kap. II Rn. 61).

Vorliegend stellen sich die Umstände des Treuebruchs als besonders verletzend dar. Die Antragstellerin ist schwerkrank. Es ist derzeit nicht sicher abzuschätzen, welche Lebenserwartung sie noch hat. Heilungschancen sind nicht prognostiziert. Nachdem die Ehegatten bereits seit einigen Jahren gemeinsam diese Zeit der Erkrankung durchlebt haben, hat Antragsgegner, in Kenntnis der schweren Erkrankung seiner Ehefrau und ihrer schwindenden Lebenserwartung, eine neue Partnerschaft aufgenommen und ist mit dieser neuen Partnerin in der Öffentlichkeit als Paar aufgetreten. Die Antragstellerin hat von dritten Personen davon Kenntnis erlangt. Der Antragsgegner hat zwar zuletzt behauptet, dass er bereits im September 2014 ein Gespräch mit der Antragstellerin geführt und sie gefragt habe, ob sie etwas dagegen habe, wenn er nunmehr eine Freundin habe. Sie habe daraufhin erklärt, dass sie das verstehen könnte. Erst später, am 19.10.2014, habe sie ihm erklärt, dass sie mit der neuen Situation doch nicht einverstanden sei. Im Oktober sei er mit seiner Freundin bei einem Spiel von gewesen. Er sei aber mit ihr nicht als Paar aufgetreten oder hätte sie in der Öffentlichkeit vorgestellt, da er sie noch nicht lange gekannt habe. Gegen diese neue Darstellung spricht allerdings, dass der Antragsgegner bereits im Rahmen der Anhörung des Familiengerichts am 18.03.2015 (Bl. 45) gesagt hat, er sei mit seiner Freundin bei diesem Spiel in der Öffentlichkeit als Paar aufgetreten. Auch überzeugt es nicht, dass er nun im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstmals erklärt, er habe von sich aus der Antragstellerin bereits im September 2014 erklärt, dass er eine Freundin habe. In der ersten Instanz hat er zunächst bestritten, überhaupt vor Januar 2015 eine Beziehung zu der anderen Frau aufgenommen zu haben, die er im Oktober kennengelernt habe. Später hat er dann richtig gestellt, dass er seine Freundin im September kennengelernt habe. Die Beziehung habe sich aber erst im Januar 2015 verfestigt. Überdies hat die Antragstellerin bereits in der ersten Instanz beschrieben, dass sie den Antragsgegner im Oktober 2014 zur Rede gestellt habe, nachdem sie von dritten Personen erfahren habe, dass der Antragsgegner mit seiner Freundin in der Öffentlichkeit aufgetreten sei. Er habe ihr dann versichert, diese Beziehung aufzugeben, tatsächlich sei es aber immer wieder zu Kontaktaufnahmen gekommen. Im November habe sie dann den gemeinsamen Sohn zu einem Gespräch hinzugezogen. Bei diesem Gespräch habe der Antragsgegner erklärt, dass er mit ihrer …Erkrankung nicht zurechtkomme und dass er „leben wolle“. Ferner habe er ihr eine Ehe zu Dritt vorgeschlagen. Diesem Vortrag der Antragstellerin hatte der Antragsgegner bisher nur entgegengehalten, dass er nicht versprochen habe, die Beziehung aufzugeben, dass er nicht gesagt habe, er „wolle jetzt leben“ und ihr auch keine Ehe zu Dritt angeboten habe. Er habe ihr nur zugesichert, dass sie weiter in dem Haus wohnen könnte und er alle Kosten tragen werde. Ein von ihm selbst initiiertes Gespräch vor Oktober 2014 hat er bisher nicht erwähnt. Vor diesem Hintergrund ist daher entsprechend der Schilderung der Antragstellerin davon auszugehen, dass sie erst über Dritte erfahren hat, dass sich der Antragsgegner einer anderen Frau zugewandt hat.

Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin und der Antragsgegner bereits seit 2009 gemeinsam diese Erkrankung der Antragstellerin durchstehen und damit zweifellos auch psychische Belastungen für den Antragsgegner als Ehegatten einhergegangen sind oder auch noch einhergehen, der sich ebenso wie die Antragstellerin der schweren Erkrankung hilflos gegenübersah und kein normales Eheleben mehr führen konnte. Aber auch unter Berücksichtigung einer solchen psychisch belastenden Situation für den Antragsgegner ist von dem Vorliegen eines Härtegrundes im Sinne von § 1565 Abs. 2 BGB auszugehen. Angesichts der schweren Erkrankung der Antragstellerin, bei welcher Heilungschancen verneint werden und bei welcher nur noch Palliativmedizin zur Anwendung kommt, ist von einer objektiv vorhandenen besonderen Verletzlichkeit und Hilflosigkeit ihrerseits auszugehen. Dem entspricht das seitens der Antragstellerin vom behandelnden Arzt ausgestellte ärztliche Attest von 26.02.2015 (Bl. 41), aus dem sich ergibt, dass sie auch psychisch in einem sehr schlechten Zustand angesichts der privaten Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann ist. Die Hinwendung des Antragsgegners zu einer neuen Partnerin und das öffentliche Auftreten mit dieser - ohne vorher eine Trennung ausgesprochen oder auch nur angesprochen zu haben, wie oben ausgeführt - hat die Antragstellerin daher als besonders belastend empfunden. Aufgrund ihrer besonderen gesundheitlichen Situation besteht zwischen ihr und dem Antragsgegner ein erhebliches Ungleichgewicht: Während der Antragsgegner ein neues Leben mit seiner Freundin plant, besteht für die Antragstellerin keine Perspektive auf ein Weiterleben. Sie dürfte sich - für einen objektiven Dritten nachvollziehbar - in dieser Lebenssituation, in welcher sie besonders auf die eheliche Solidarität angewiesen ist, von ihrem langjährigen Ehemann besonders verlassen und hilflos gefühlt haben und auch in einem größeren Maße verletzt sein, als es ohne diese schwere Erkrankung der Fall wäre. Auch wenn von einer erheblichen psychischen Belastung des Antragsgegners wegen des langjährigen schweren Krankheitsverlaufs der Antragstellerin auszugehen ist, so dürfte ihm diese besonders hilflose Situation der Antragstellerin doch bewusst gewesen sein. Angesichts dieser Umstände ist der Antragstellerin eine Fortsetzung der Ehe auch nur dem Bande nach nicht länger zuzumuten.

Auf die bestrittene Behauptung der Antragstellerin, der Antragsgegner habe mit seiner neuen Partnerin im Ehebett Geschlechtsverkehr ausgeübt, kommt es daher nicht an.

2.

Auch wenn ein Härtefallgrund im Sinne von § 1565 Abs. 2 BGB vorliegt, so ist gleichwohl die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts aufzuheben, weil das Familiengericht die Ehe nicht ohne Entscheidung über den im Verbund stehenden Versorgungsausgleich hätte scheiden dürfen, § 137 Abs. 1 FamFG.

Im Rahmen der Beschwerde gegen den Scheidungsausspruch ist auch die Rechtmäßigkeit der Abtrennung zu überprüfen, da gemäß § 58 Abs. 2 FamFG der Beurteilung des Beschwerdegerichts auch die nicht selbstständig anfechtbaren Entscheidungen unterliegen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind (Prütting/Helms, § 117 FamFG Rn. 14).

Die durch Beschluss vom 18.03.2015 erfolgte Abtrennung des Versorgungsausgleiches vom Scheidungsverbund gemäß § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG war unzulässig.

Nach § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG kann das Familiengericht auf Antrag eines Beteiligten eine Folgesache vom Verbund abtrennen, wenn sich der Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass ein weiterer Aufschub unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde. Mithin muss kumulativ zur außergewöhnlichen Verzögerung eine unzumutbare Härte vorliegen. Eine außergewöhnliche Verzögerung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Verfahrensdauer erheblich über die normale Dauer eines Verbundverfahrens hinausgeht. In der Regel wird dabei von einer Dauer von 2 Jahren ausgegangen (BGH FamRZ 1986, S. 896, FamRZ 1991, S. 687). Es handelt sich dabei aber nur um einen Richtwert, gegebenenfalls ist auch eine Verfahrensdauer von weniger als 2 Jahren außergewöhnlich lang (vgl. Prütting/Helms, § 140 FamFG Rn. 22). Anhaltspunkte für eine so außergewöhnliche Verzögerung liegen im vorliegenden Verfahren nicht vor: Der Scheidungsantrag ist erst am 26.01.2015 beim Familiengericht eingegangen. Überdies ergibt sich aus dem beiliegenden Sonderheft Versorgungsausgleich, dass nur noch die Auskunft der gesetzlichen Rentenversicherung der Antragstellerin fehlt. Mithin ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass von einer langen Verfahrensdauer auszugehen sein wird (vgl. Prütting/Helms, § 140 FamFG Rz. 22). Bisher ist es zu keinerlei Verzögerungen gekommen. Es dürfte vorliegend daher angesichts der dargestellten Sachlage zwar von einer unzumutbaren Härte auszugehen sein, eine außergewöhnliche Verzögerung ist aber nicht ersichtlich. Auch wenn aus rechtssystematischen Gründen beim Vorliegen einer Härtefallscheidung nicht die grundsätzlichen Mittelwerte von Verfahren als Maßstab herangezogen werden dürften, so muss doch in irgendeiner Form eine Verzögerung festgestellt werden. Beim Vorliegen einer Härtefallscheidung ist nicht automatisch von einer Abtrennung im Sinne von § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG auszugehen, zumal die Kriterien nicht übereinstimmen und auch die Auswirkungen unterschiedlich sind (Münchener Kommentar/Heiter, § 140 FamFG Rz. 64; andere Ansicht OLG Brandenburg FamRZ 2001, 1458; Finger MDR 2000, 247). Vorliegend spricht insbesondere der Umstand, dass das Verbundverfahren Versorgungsausgleich ohnehin in Kürze abgeschlossen werden kann bzw. mit keinen weiteren Verzögerungen zu rechnen ist - es fehlt nur noch eine Auskunft -, gewichtig gegen die Abtrennung (vgl. Münchener Kommentar/Heiter, § 140 FamFG Rz. 65; siehe auch OLG Brandenburg FamRZ 1996, 751; OLG Stuttgart FamRZ 1992, 320).

Auch ohne den Antrag eines Beteiligten kann der Senat den Scheidungsbeschluss aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückverweisen, da es sich in der Sache beim Scheidungsbeschluss nach §§ 117 Abs. 2 FamFG, 538 Abs. 2 S. 2 Nr. 7 ZPO entsprechend um eine unzulässige Teilentscheidung handelt und die fehlerhafte Abtrennung als schwerer Verfahrensfehler zu beurteilen ist (Bahrenfuss/Blank FamFG, 2. Aufl. 2013, § 140 Rz. 11). Die Beschwerde gegen die unzulässige Abtrennung ist von dem weitergehenden Antrag des Antragsgegners auf Abweisung des Scheidungsantrags mit umfasst (vgl. BGH FamRZ 1996, 1333 Rz. 2). Es handelt sich um einen von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensfehler, sodass in entsprechender Anwendung der Folgen eines unzulässigen Teilbeschlusses die Sache aufzuheben und zurückzuverweisen ist (OLG Nürnberg, FamRZ 2005, 1497 Rz. 30).

3.

Über die Kosten ist keine Entscheidung zu treffen, da diese, wie im Allgemeinen bei Zurückverweisung, mit der endgültigen Sachentscheidung zu treffen ist (Zöller, § 538 ZPO Rz. 58).

Tenor

Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine Beschwerde gegen den von dem Amtsgericht - Familiengericht - Bonn am 03.09.2012 erlassenen Beschluss - 407 F 150/12 - ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

Für den Antragsteller besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 08.01.2013.

Gründe

G r ü n d e:

I.

Mit bei dem Amtsgericht am 08.05.2012 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag betreibt der Antragsteller die Scheidung der von den Beteiligten am 06.05.1994 geschlossenen Ehe.

Ein Scheitern der Ehe hat der Antragsteller zunächst auf die Vermutung des § 1566 BGB Abs. 1 gestützt und hierzu vortragen lassen, die Ehe sei am Ende, da die Antragsgegnerin (spätestens) Ende 2010 eine andere feste Beziehung und auch er seit Mai 2012 ebenfalls eine neue Beziehung habe; die Antragsgegnerin habe offen erklärt, sie liebe ihren Mann nicht mehr und wolle nur noch bei den Kindern bleiben; es fänden keinerlei gemeinsamen Aktivitäten mehr statt und die Antragsgegnerin komme ihren Haushaltspflichten nicht mehr nach; zudem habe die Antragsgegnerin ihn vor den beiden Kindern und Fremden gedemütigt und für eine Trennung reiche es aus, wenn man im Schlafzimmer nebeneinander liege, weil sonst das Wohnzimmer seine Funktion verlöre.

Bei seiner persönlichen Anhörung in der nicht öffentlichen Sitzung vor dem Amtsgericht am 03.09.2012 hat der Antragsteller zu den häuslichen Verhältnissen im Einzelnen befragt sinngemäß erklärt, die Antragsgegnerin wasche und bügele nach wie vor im Wesentlichen allein; entsprechendes gelte hinsichtlich der Bestückung des gemeinsam genutzten Kühlschranks; seine Nächte verbringe er im Wesentlichen im gemeinsamen Ehebett, in dem auch die Antragsgegnerin schlafe; gemeinsame Unternehmungen habe es schon lange nicht mehr gegeben.

Vorsorglich hat er sich für den Fall, dass das Gericht nicht von der Wahrung einer einjährigen Trennung ausgehen sollte, auf die Zerrüttung der Ehe aus den dargelegten Gründen wie auch unter Hinweis auf seine schwere Erkrankung berufen.

Die Antragsgegnerin, die beantragt hat, den Scheidungsantrag zurückzuweisen, hat behauptet, die Beteiligten lebten nicht voneinander getrennt und ein Fall unzumutbarer Härte liege ihres Erachtens ebenfalls nicht vor, da die Erkrankung des Antragstellers nicht zur Unzumutbarkeit des Festhaltens an der Ehe führe.

Mit dem im Tenor näher bezeichneten Beschluss hat das Amtsgericht den Scheidungsantrag zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass von einer Trennung der Eheleute auf der Grundlage des Ergebnisses der mündlichen Anhörung des Antragstellers nicht ausgegangen werden könne und auch ein Fall unzumutbarer Härte nicht gegeben sei.

Gegen diesen ihm zu Händen seiner Verfahrensbevollmächtigten am 10.09.2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit bei dem Amtsgericht am 24.09.2012 eingegangenem anwaltlichem Schriftsatz vom 21.09.2012 Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung führt er aus, am Tag seines zwischenzeitlichen - unstreitigen - Auszugs aus der ehelichen Wohnung am 15.10.2012 habe die Antragsgegnerin ihn verbunden mit dem Vorwurf, er nehme Geschirr von ihr mit, geschlagen. Seitdem rufe sie unberechtigterweise immer wieder bei ihm an, er solle für sie und den älteren Sohn O Lebensmittel einkaufen. Er meint, das Amtsgericht habe den Fortbestand der häuslichen Gemeinschaft zu Unrecht festgestellt. Bei der Betrachtung der Schlafverhältnisse habe das Amtsgericht übersehen, dass die Kinder das Wohnzimmer verloren hätten, wenn er seine Schlafstätte in der Wohnung gesucht hätte; es könne seines Erachtens nicht sein, dass er als betrogener Ehemann ins Wohnzimmer ausweichen und der Ehefrau das Schlafzimmer überlassen müsse, um geschieden werden zu können, erst recht in Anbetracht seiner gesundheitlichen Zustandes. Bezogen auf das Waschen und Bügeln habe das Amtsgericht auch nicht berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin auch die Schmutzwäsche ihres Liebhabers versorge, ferner, dass sich die Kinder ohnehin selbst versorgt hätten und die Antragsgegnerin nicht koche. Entsprechendes gelte, was die Angelegenheiten der Kinder, zum Beispiel die Verwaltung des von diesen ererbten und von den Eheleuten in das gemeinsame Miethaus in der S in C investierten Geldes anbetreffe, die die Antragsgegnerin allein veranstalte.

Er beanstandet ferner, dass die Antragsgegnerin im Termin nicht befragt worden ist, ob sie ihren Mann noch liebe und wie sie sich das mit ihrem Freund weiter vorstelle; ihr bisheriges Verhalten lasse nur den Schluss zu, dass sie selbst nicht die Absicht habe, die häusliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. Die Antragsgegnerin rechne mit dem Tod des Antragstellers auf Grund dessen Erkrankung und zeige lediglich für diesen insoweit Interesse, als sie diesen mit beerben wolle.

Eine Zerrüttung der Ehe lasse sich seines Erachtens nicht leugnen, nachdem beide Eheleute jeweils eigene neue Beziehungen eingegangen seien, sie ihrem Freund eine Wohnung in dem gemeinsamen Mietshaus ohne seine Zustimmung vermietet habe und sie dessen Wäsche in der Waschmaschine der gemeinsamen Wohnung gewaschen und einschließlich Unterwäsche auch aufgehängt habe.

Aber selbst dann, wenn eine Trennungszeit von weniger als einem Jahr anzunehmen sein sollte, wäre die Ehe seines Erachtens zu scheiden, da die Fortsetzung für ihn aus Gründen, die in der Person der Antragsgegnerin liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Bei ihm sei im Jahr 2011 ein Pankreas Karzinom festgestellt worden. Nach sechs Monaten wäre er im sogenannten Hamburger Modell langsam wieder in das Arbeitsleben integriert worden, auch auf seinen Wunsch deswegen, weil er es zu Hause nicht mehr ausgehalten habe. Die  Antragsgegnerin habe mit einem zügigen, tödlichen Verlauf gerechnet. Die Verwaltung des Kindervermögens erfolge durch die Antragsgegnerin allein. Zu berücksichtigen sei im besonderen Maße die anderweitige dauerhafte Partnerbindung in Verbindung mit dauerhafter Lieblosigkeit gegenüber ihm.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

  1. in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die am 06.05.1994 geschlossene Ehe zu scheiden,

hilfsweise,

  1. das Verfahren bis spätestens zum 15.10.2013 auszusetzen.

Die Antragsgegnerin, die die Zurückweisung der Beschwerde beantragt, verteidigt den angefochtenen Beschluss als richtig und hält das Vorbringen des Antragstellers im Wesentlichen für nicht bedeutsam für die zutreffende Entscheidung.

II.

Dieser Anhörungsbeschluss beruht auf §§ 68 Abs. 3 Satz 2, 117 Abs. 3 FamFG.

Eine mündliche Verhandlung einschließlich einer persönlichen Anhörung des Antragstellers hat vor dem Amtsgericht stattgefunden und von der Wiederholung dieser Verfahrenshandlungen sind keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten.

Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers vom 21.09.2012 ist in der Sache nicht erfolgversprechend. Das Amtsgericht hat den Scheidungsantrag des Antragstellers vom 08.05.2012 zu Recht zurückgewiesen. Diese Erkenntnis hält der Senat für uneingeschränkt richtig. Zur Vermeidung von bloßen Wiederholungen wird zunächst auf die Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses (Bl. 54 ff. GA) verwiesen. Die von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren gegen die Richtigkeit dieses Erkenntnisses erhobenen Einwendungen rechtfertigen eine abweichende Entscheidung nicht.

Nach § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist die Ehe gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Der Begriff des Scheiterns der Ehe; setzt sich also aus zwei Komponenten zusammen; es bedarf der Feststellung des Nichtbestehens der Lebensgemeinschaft der Ehegatten und darüber hinaus der Prognose, dass die Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann. Aus der gesetzessystematischen Auslegung dieser gesetzlichen Regelungen, der an Trennungsfristen anknüpfenden Vermutungstatbestände des § 1566 BGB und der Vorschrift des § 1565 Abs. 2 BGB, die die Scheidung vor dem Ablauf von einem Jahr unter der weiteren Voraussetzung einer unzumutbaren Härte für den Antragsteller vorsieht, folgt, dass aus dem Grundtatbestand des Absatzes 1 des § 1565 BGB die Scheidung erst dann möglich ist, wenn die Ehegatten mindestens 1 Jahr lang getrennt gelebt haben im Sinne von § 1567 BGB (vgl. etwa: Ey in Münchner Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 1567 Rn. 4).

Aus dem Vorstehenden erschließt sich, dass das Vorbringen des Antragstellers, die Ehe sei selbst dann, wenn nicht von einem Jahr Trennung auszugehen sein sollte, auch deswegen zu scheiden, weil diese tatsächlich, insbesondere unter Berücksichtigung der beiderseitigen Orientierung zu neuen Lebenspartnern gescheitert sei, der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag. Entsprechendes gilt, soweit er die seiner Einschätzung nach gegebene negative innere Einstellung der Antragsgegnerin gegenüber einer Wiederaufnahme ehelicher Verhältnisse bemüht. Die Prognosekomponente bei der Überprüfung eines Scheidungsgrundes aus § 1565 Abs. 1 BGB knüpft wesentlich an die Auslegung des Begriffs Getrenntleben; an und ist ohne die Feststellung des Getrenntlebens der Ehegatten von mindestens einem Jahr für die Entscheidung ohne Bedeutung.

Von einem Getrenntleben der Beteiligten von mindestens einem Jahr kann indessen nicht ausgegangen werden. Gemäß § 1567 Satz 1 S. 1 BGB leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Der Begriff des Getrenntlebens gründet danach auf drei Elementen, die zusammentreffen müssen, nämlich objektiv die häusliche Trennung und subjektiv einmal der Wille zumindest eines Ehegatten, die häusliche Gemeinschaft nicht wieder herzustellen, und zum Anderen dessen Motiv, die in der Ablehnung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht (Ey, a. a. O., Rn. 2, 10 f.).

Auf dieser Grundlage ist zwar im Beschwerdeverfahren nach Maßgabe des gemäß § 65 Abs. 3 FamFG berücksichtigungsfähigen und von der Antragsgegnerin auch nicht bestrittenen Vorbringens des Antragstellers, er sei zwischenzeitlich, nämlich am 15.10.2012, aus der ehelichen Wohnung ausgezogen, der Entscheidung zugrunde zu legen, dass eine häusliche Gemeinschaft zwischen den Beteiligten nicht mehr besteht. Seitdem sind indessen nicht einmal zwei Monate verstrichen. Für die Zeit vor dem Auszug des Antragstellers aus der ehelichen Wohnung kann von einer Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft auch nicht in Anwendung des Abs.1 Satz 2 dieser Vorschrift ausgegangen werden. Danach besteht die häusliche Gemeinschaft auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben. Die Annahme des Getrenntlebens innerhalb der ehelichen Wohnung setzt voraus, dass kein gemeinsamer Haushalt geführt wird und zwischen den Ehegatten keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestehen (BGH, Urteil vom 14.06.1978 - IV ZR 164/77 - zitiert nach Juris Rn. 8; OLG Köln, Urteil vom 13.10.1977 - 21 U 4/77 - zitiert nach Juris Rn. 25; Ey, a. a. O. § 1567 Rn. 24; Brudermüller in Palandt, BGB, 70. Auflage, § 1567 Rn. 3). Hiervon kann entsprechend der Auffassung des Amtsgerichts nicht ausgegangen werden, wenn die Haushaltsführung entsprechend der Arbeitsaufteilung zwischen den Ehegatten in wesentlichen Teilen aufrechterhalten wird (vgl.: BGH, Urteil vom 04.10.1978 - IV ZR 188/77 - zitiert nach Juris Rn. 9; OLG Köln, Urteil vom 03.06.1982 - 25 UF 220/81 - zitiert nach BeckRS 2010, 15286), was aber vorliegend anzunehmen ist, weil selbst auf der Grundlage der Erklärungen des Antragstellers bei seiner persönlichen Anhörung die Antragsgegnerin auch weiterhin seine Wäsche bis auf wenige Ausnahmen pflegte und auch die Einkäufe für die Familie im Wesentlichen tätigte. Bis zum 15.10.2012 nutzen die Ehegatten auch gemeinsam das Schlafzimmer in der Ehewohnung, was auch dann gegen eine vollzogene Trennung spricht, wenn die Ehegatten nicht mehr geschlechtlich miteinander verkehrten (vgl.: OLG Hamm, Beschluss vom 02.03.1998 - 5 WF 85/98 - zitiert nach Juris Rn. 2; OLG Koblenz, Urteil vom 30.03.2004 - 11 UF 567/01 - zitiert nach Juris Rn. 15). Die Erklärung des Antragstellers, er habe nicht im Wohnzimmer schlafen können, weil dann dieser Raum der Familie, insbesondere den Kindern, in dessen Funktion genommen worden wäre, verfängt in Anbetracht der Möglichkeit der Wiederherstellung eines funktionsgerechten Zustandes nach dem morgendlichen Aufstehen durch Aufräumen nicht. Unbeachtlich ist auch sein Vorbringen, er habe gehofft, die Antragsgegnerin werde entsprechend ihrer Erklärung ihrerseits aus der Wohnung ausziehen, weil eine solche, hier einmal als wahr unterstellte Erklärung den Vollzug einer Trennung nicht zu ersetzen vermag. Soweit der Antragsteller insoweit für seine gegenteilige Auffassung auf eine Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts Bezug nimmt (Beschluss vom 10.03.2011 - 9 UF 90/10 - hier zitiert nach Juris), verkennt er, dass das Gericht in dieser Entscheidung ersichtlich von einer Trennungszeit von mindestens einem Jahr ausgegangen ist, ohne dass sich hierzu eine nähere Betrachtung der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen, ob und gegebenenfalls wann von einer Trennung auszugehen ist, findet.

Auch die Voraussetzungen eines Scheidungsgrundes gemäß § 1565 Abs. 2 BGB liegen nicht vor. Diese Vorschrift lässt die Scheidung einer Ehe - unter der Voraussetzung, dass die Ehe im Sinne von § 1565 Abs. 1 BGB gescheitert ist  (vgl.: BGH, Urteil vom 05.11.1980 - IV b ZR 538/80 - NJW 1981, 449 ff.) - auch vor einer einjährigen Trennung zu, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellt. Dabei kommt es nicht auf die Zumutbarkeit des weiteren ehelichen Zusammenlebens, also die Zumutbarkeit der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der häuslichen Gemeinschaft an, sondern die unzumutbare Härte muss sich auf die Aufrechterhaltung des formellen Ehebandes beziehen (BGH, Urteil vom 05.11.1980, a. a. O., S. 450; Ey, a. a. O., § 1565 Rn. 101; Brudermüller, a. a. O. § 1565 Rn. 9). Unter Berücksichtigung der hierzu entwickelten Anwendungsfälle (etwa: Ey, a. a. O., § 1565 Rn. 109 ff.) kann allenfalls ein Verstoß gegen die eheliche Treue durch Aufnahme einer ehebrecherischen Beziehung der Antragsgegnerin seit Ende 2010 durch die Antragsgegnerin in Erwägung gezogen werden. Insoweit ist indessen zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin und ihr neuer Lebenspartner nicht eheähnlich zusammenleben und der neue Lebensgefährte die eheliche Wohnung bis zum 15.10.2012 jedenfalls in aller Regel auch nur dann aufsuchte, wenn der Antragsteller nicht zugegen war. Soweit sich der Antragsteller auf seine schwere, inzwischen aber auch gemeisterte Erkrankung beruft, ist ein unmittelbarer Bezug zur Unzumutbarkeit der Wahrung einer einjährigen Trennungsfrist nicht gegeben. Soweit er sich in diesem Zusammenhang auf eine Lieblosigkeit der Antragsgegnerin beruft, die ihn immerhin in einem größeren Umfang versorgt und seine Anwesenheit im gemeinsamen Schlafzimmer akzepziert hat, liegt es in der Natur der Sache, dass die Antragsgegnerin ihm gegenüber während einer Beziehungskrise eine solche nicht in einem Maße entgegen brachte, wie es bei funktionierender Ehebeziehung üblich ist. Wieweit die Lieblosigkeit ging, ist nicht dargetan. Der von dem Antragsteller angeführte erbrechtliche Aspekt ist bei richtigem Verständnis des § 1933 BGB nicht geeignet, eine unzumutbare Härte zu begründen, vielmehr setzt der Ausschluss des Erbrechts des sich gegen die Scheidung wehrenden Ehegatten nach dieser Vorschrift gerade voraus, dass ein Scheidungsgrund gegeben ist. Unter Würdigung der Gesamtumstände, insbesondere unter Berücksichtigung des eheerhaltenen Charakters dieser Vorschrift (Ey, a. a. O., § 1565 Rn. 90) und der deswegen gebotenen restriktiven Handhabung bei der Feststellung einer unzumutbaren Härte (Brudermüller, a. a. O., § 1565 Rn. 9), ferner, dass sich die von dem Antragsteller empfundenen erheblichen Beeinträchtigungen gerade während des Bestehens der häuslichen Gemeinschaft ergeben haben und sich solche seit seinem Auszug aus der Ehewohnung nicht in diesem Maße ergeben, ist auch nach der Auffassung des Senats nicht von einer unzumutbaren Härte im Falle der Aufrechterhaltung des Ehebandes bis jedenfalls zum Ablauf der einjährigen Trennungszeit auszugehen.

Der Hilfsantrag zur Gestaltung des weiteren Verfahrens mit dem Ziel der Aussetzung des Verfahrens bis zum 15.10.2013 findet nach der Auffassung des Senats im Gesetz keine Grundlage. Es gibt - soweit ersichtlich - kein anderes Verfahren, das für den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens präjudizierend sein oder einen irgendwie gearteten Einfluss auf die hier zu treffende Entscheidung haben könnte, und es ist auch kein sonstiger wichtiger Grund für eine Aussetzung des Verfahrens i. S. v. § 21 Abs. 1 FamFG dargetan.

Abschließend weist der Senat auf die Möglichkeit der Zurücknahme der Beschwerde zum Zweck der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug entstandenen Gerichtskosten und zwecks Vermeidung von weiteren eventuellen außergerichtlichen Kosten hin.

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